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04.02.2021, 18:59 Uhr
Gedenken an Ankunft des ersten Vertriebenentransportes vor 75 Jahren in Hessen
Landesbeauftragte: Beginn der 295 Eisenbahn-Transporte aus dem Sudetenland
Weilburg, 04. Februar 2021 - Der erste aller Vertriebenentransporte nach Hessen kam am 4. Februar 1946 aus Kuttenplan im Egerland mit 1.200 Personen in der Stadt Weilburg an.
Josef Plahl, BdV-Kreisvorsitzender Limburg-Weilburg; Otto Riedl, Kreisobmann der SL-Limburg-Weilburg in Egerländer Tracht; Werner Richter, Zeitzeuge vor der Gedenktafel zur Erinnerung an die Ankunft des ersten Vertriebenentransportes
Es sollten weitere 294 Transporte aus dem Sudetenland in das neu geschaffene Bundesland Hessen mit jeweils 40 Waggons, in denen immer 30 Personen untergebracht waren, folgen. Insgesamt kamen rund 400.000 aus ihrer Heimat im Sudetenland Vertriebene nach Hessen, die damit in unserem Bundesland die größte Gruppe unter den Heimatvertriebenen darstellen. Seit dem Jahr 2006 erinnert eine Gedenktafel im einstigen Weilburger Bahnhofsgebäude (heute Rezeption eines Hotels) an die Ankunft des ersten Vertriebenentransportes in Hessen.

In den vergangenen Jahren wurde alle fünf Jahre in Weilburg der Ankunft des Vertriebenenzuges mit einer besonderen Gedenkveranstaltung gedacht. Aufgrund der Corona-Pandemie ist dies in diesem Jahr leider nicht möglich. Vertreter des Bundes der Vertriebenen (BdV) im Kreisverband Limburg-Weilburg legten zur Erinnerung auf dem Weilburger Friedhof einen Kranz nieder.
 

Landesbeauftragte Margarete Ziegler-Raschdorf unterstrich die Notwendigkeit, sich die Ereignisse vor 75 Jahren zu vergegenwärtigen und an kommende Generationen weiterzugeben. Dies sei notwendig, um der geschichtlichen Wahrheit willen und zur Bewahrung eines würdigen Andenkens an die Opfer von Flucht und Vertreibung. „Für diese Menschen war die Vertreibung eine Katastrophe. Sie hatten mehr verloren als ihr Hab und Gut, das sie zurücklassen mussten: Man hatte ihnen den Boden unter den Füßen weggezogen.                         Sie hatten ihre Heimat verloren. Das menschliche Elend, das diese sogenannte, laut Potsdamer Protokoll ´geordnete Überführung‘ hervorrief, gehört zu den vielen schlimmen Kapiteln des zwanzigsten Jahrhunderts“, so Frau Ziegler-Raschdorf.

Der BdV-Vorsitzende des Kreisverbandes Limburg-Weilburg, Josef Plahl, erinnerte außerdem daran, dass Menschen gekommen seien, die den Willen hatten, das Land aufzubauen. „Die Heimatvertriebenen haben einen wichtigen Beitrag zum politischen und wirtschaftlichen Wiederaufbau dieses Landes geleistet. Insofern ist deren Geschichte ein Teil der Geschichte des ganzen Landes geworden. Die Vertreibung der Deutschen aus den früheren Ostgebieten des Deutschen Reiches, dem Sudetenland und den angestammten Siedlungsgebieten in Ost-, in Mittel- und Südosteuropa ist daher nicht nur eine Sache der Vertriebenen selbst, sondern eine Angelegenheit des gesamten deutschen Volkes.“

Der 4. Februar des Jahres 1946 habe folglich einen berechtigten Platz in der Erinnerungskultur. In diesem Zusammenhang müsse auch Paragraph 96 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) genannt werden, welcher Bund und Ländern die gesetzliche Verpflichtung für die Erinnerungs- und Kulturarbeit auferlege, verdeutlichte die Landesbeauftragte und zitierte die Autorin, Regisseurin und Bürgerrechtlerin Freya Klier mit ihrer beeindruckenden Forderung nach einem „11. Gebot“: ´Du sollst Dich erinnern!` „Und wir in Europa haben aus der Historie gelernt, dass die Zukunft in unserem gemeinsamen europäischen Haus nur über den Weg der Versöhnung und Verständigung führen kann. Diesen Weg beschreiten wir seit Jahrzehnten und es sind gerade die Vertriebenenverbände, die diesen Weg unermüdlich gehen – entgegen manchem Vorurteil. Als Landesbeauftragte bin ich sehr dankbar für die stetigen Bemühungen des BdV und der Sudetendeutschen Landsmannschaft um die Völkerverständigung zwischen Deutschen und Tschechen. Grundlage dieser Verständigung ist das gemeinsame historische und kulturelle Erbe. Schließlich besteht das deutsch-tschechische Verhältnis nicht nur aus Konflikten und einer leidvollen Geschichte. Vor den Verwerfungen des 20. Jahrhunderts hatte es ein 800 Jahre langes einvernehmliches und fruchtbares Miteinander gegeben. Daran sollten wir wieder anknüpfen und darin eine Perspektive für die Zukunft sehen“, so Margarete Ziegler-Raschdorf abschließend.